Krautfleckerl ohne n oder damals in Wien


Krautfleckerl mit n waren schon in der k.u.k. Monarchie eine Institution - nicht nur in Österreich, sondern auch in Tschechien und in Ungarn waren sie bekannt... bis runter nach Rumänien zu meiner Urle, so wie das Gulasch und die Powidltascherl. Die Grundzutaten der Krautfleckerln sind aber mehr oder weniger immer die selben, egal ob in Prag, Budapest oder Wien: Fleckerln, Kraut, Zwiebel, Schmalz, Essig, Zucker, Pfeffer und Salz - picksüß, wie eine Mehlspeis, nur halt eben mit Zwiebel und Pfeffer drin. Je nach Herkunft der Köchin kommt dann noch Kümmel rein, edelsüßer Paprika oder Knoblauch, niemals aber Speck. In manchen Teilen Österreichs werden sie mit Staubzucker bestreut als Süßspeise gegessen. Grausig!

Die  wohl berühmtesten aller Krautfleckerln waren und sind wohl die von der Tante Jolesch (Friedrich Torberg - "Die Tante Jolesch oder der Untergang des Abendlandes in Anekdoten")Um ihre Krautfleckerl war vor einem Jahrhundert ein rechtes Griss in Wien. "Wenn es ruchbar wurde, daß die Tante Jolesch für nächsten Sonntag Krautfleckerln plante, dann setzte aus allen Himmelsrichtungen ein Strom von Krautfleckerl-Liebhabern ein, die unterwegs nicht Speis noch Trank zu sich nahmen, denn ihren Hunger sparten sie sich für die Krautfleckerln auf..." Alle List und Tücke, der Tante das Geheimnis ihrer Fleckerln zu entlocken, war umsonst. Und wie es Zeit zum Sterben war, versammelte sich die Familie rund ums Bett und bekniete die Tante, sie möge doch bitte nicht gehen ohne das Rezept der Krautfleckerln zu hinterlassen: "Tante - ins Grab kannst du das Rezept ja doch nicht mitnehmen...Willst du uns nicht endlich sagen, wieso deine Krautfleckerln immer so gut waren?" Dem Ende nah, richtete sie sich auf: "Weil ich nie genug gemacht hab..." Sprach's, lächelte und verschied.


Das Wichtigste wissen wir jetzt, aber ich will´s genauer wissen. Ich schau also in mein 'Wiener Kochbuch' aus dem Jahr 1884, geschrieben von der Köchin Louise Seleskowitz. Ich besitze eine von ihr überarbeitete Auflage aus dem Jahr 1899. Und dort auf Seite 311 unter der Ziffer 1340 finden sich auch die Krautfleckerl mit n und einem Riesenfettfleck oben drauf:
Von einem Häuptel Kraut werden die Blattrippen beseitigt, jene hierauf überschnitten und dann mit dem Wiegemesser sehr fein geschnitten, während dessen man das Kraut salzt. - (???) - Ausgedrückt in eine Kasserolle, worin sich 14 Deka - (!!!) - Fett befinden, gegeben und zugedeckt unter öfterem Rühren weichgedünstet, worauf man es nach Geschmack würzt - (Aha) - Wenn dies geschehen ist, gibt man (von 1/2 Liter Mehl gemacht) geschnittene, in Salzwasser gekochte, abgeseihte Fleckerln zu dem Kraut und läßt sie unter öfterem Rühren heiß werden. Man richtet sie dann gehäuft auf einer Schüssel an.
Na, sehr super! Die Schüssel hab ich schon mal.

Ich sinnier noch ein bisserl drüber nach, komm nicht drauf und denk mir meine eigene Version der Wiener Krautfleckerln aus. Und weil  sie ganz sicher anders sind wie die von der Tante Jolesch und der Louise müssen sie auch anders heißen, nämlich Krautfleckerl ohne n, denn im Wesentlichen sind sie das was sie sein sollen, ein bisserl süß und ein bisserl sauer, pfefferscharf und ordentlich fett. Darüber hinaus braucht´s aber noch ein paar andere Zutaten, die damals in Wien sicher nicht verwendet wurden. Und da es bis zum Sterben hoffentlich noch weit ist, verrat ich Ihnen das Geheimnis gleich jetzt.

  • 1 sehr kleiner oder ein halber Happel Spitzkraut; die Blätter sind lockerer und schmecken gemüsiger
  • weniger Fleckerl, wie Sie glauben; eine typische österreichische Teigware in Form eines Rechtecks geschnitten, früher auch gezupft
  • Erdnussöl, ersatzweise neutrales Öl oder Butterschmalz
  • 1- 2 Zwiebel
  • 2 Zehen Knoblauch, in feinen Scheiben
  • 10-15 Scheiben fein geschnittener, frischer Ingwer
  • 1 nußgroßes Stück frischer Ingwer extra (auf keinen Fall Ingwerpulver)
  • 1  EL milder Apfelessig
  • 1  EL Ahornsirup oder auch mehr, wenn´s schmeckt - ersatzweise Zucker, dann aber weniger, da Ahornsirup nicht so süß ist
  • Salz, am besten Fleur de Sel
  • sehr grob gemahlener frischer Pfeffer aus der Mühle
  • 3 EL geschälte Haselnüsse, grob zerkleinert
  • frische Petersilie, gezupft
  • kaltgepresstes, biologisches Haselnussöl!!! Versuchen Sie es gar nicht erst mit einem anderen Öl!
  • (Parmesan)











    Das Spitzkraut vierteln, den Strunk entfernen und in eher große Stücke schneiden. Die Fleckerl in Salzwasser bissfest garen. Die Haselnüsse in einer Pfanne ohne Öl leicht rösten und zur Seite stellen. Die Zwiebel achteln und das untere Ende abschneiden, sodass die einzelnen Lagen auseinander fallen. In etwas Erdnussöl, am besten in einem Wok, braten. Die Ingwerscheiben dazu geben und etwas später die Knoblauchscheiben. Es sollte alles zusammen etwas Farbe bekommen, aber nicht zuviel. Jetzt das Kraut dazugeben und wenig salzen. Ordentlich durchrühren. Den restlichen Ingwer fein reiben und den Saft mit den Fingern in einem kleinen Teesieb über dem Kraut ausdrücken. Den Ingwer wegschmeißen. Apfelessig und Ahornsirup dazugeben und gut durchrühren. Das Ganze sollte ziemlich schnell gehen - drei, vier Minuten- so ähnlich wie pfannengerührtes Wokgemüse. Das Kraut muss noch knackig sein und seine grüne Farbe behalten. Die Pfanne vom Herd nehmen und die noch heißen Fleckerln dazugeben - und zwar im Verhältnis 1:1, auf keinen Fall zuviel!!! Meine Krautfleckerl sind gemüselastig. Das Kraut sollte einen wesentlichen Teil ausmachen und nicht nur den faden Nudeln Geschmack geben. Nachsalzen, pfeffern (sehr grober schwarzer Pfeffer), die gezupfte Petersilie dazugeben und alles gründlich durchmischen.


    Am Teller erst die Haselnüsse darüber streuen. Parmesan darüber reiben - und, ja, der passt ausgezeichnet, es sei denn sind leben vegan, dann lassen Sie ihn einfach weg. Noch ein bisserl Fleur de Sel, denn Sie sollten das Salz als winzige Punkte auf der Zunge spüren können. Und jetzt das Wichtigste: feinstes Haselnussöl - und nicht knausrig sein damit!

    Einen Löffel von den Krautfleckerl in den Mund schieben, die Augen schließen und die Aromen explodieren lassen.









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    3 comments:

    1. noch nie hab ich so schön angerichtete Krautfleckerl gesehen.

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    2. Die G´schicht dazu: Ich hab die Krautfleckerl auf einem Teller angerichtet, ungefähr 10.000 mal fotografiert, damit ein gutes Foto dabei ist (bin ja schließlich kein Profi) und dann gegessen. Das Restl habe ich in meine "Restschüsserl" gefüllt ... und festgestellt, dass es da drin ja noch appetitlicher ausschaut wie vorher (man sieht die Welt anders als Kochbloggerin), nochmal fotografiert und dann das auch noch aufgegessen! Die Moral aus der G´schicht: die besseren Dinge sind oft die spontanen; und vielen Dank für das wirklich sehr schöne Kompliment.

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    3. das ist eine total schöne und ehrliche antwort! ich hab auch manchmal so meine probleme, wenn es um das fotografieren geht! vor allem, weil ich überhaupt kein gscheites licht hab in der küche und im wohnzimmer nirgendswo ein platzerl, wo ichs hinstellen könnte *grml* wobei mir da gerade eine idee kommt ;)
      echt toller blog! lese gerade alles von anfang an nach :)
      lg sandra

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