Meine Freundin, die Simone, ist keine besonders ambitionierte Köchin. Das Hausfräuliche war irgendwie nie so ihr Ding. Seit sie aber weit weg in Kanada ihre eigene kleine Familie gegründet hat, bemüht sie sich sehr, dort was Anständiges auf den Tisch zu stellen - mal mehr, mal weniger erfolgreich. Und neulich hat sie mir erzählt, dass sie "Pfoa, ein echt geiles Gewürz..." entdeckt hat. Ihre Family ist ganz deppert drauf und isst seither alles, was sie kocht. Weil, sagt sie, "... mit dem kannst an Mistkübel warm machen und es schmeckt guat!"
Das Zeug sollten Sie also kennen! Allein der Name zergeht bereits auf der Zunge. Ras el Hanout ist eine Gewürzmischung, die eigentlich aus Marokko stammt, aber im gesamten arabischen Raum bekannt ist. Es bedeutet wörtlich übersetzt "Chef des Ladens", was wohl damit zu tun hat, dass jeder Gewürzhändler seine eigene (geheime) Mischung herstellt und es deshalb die ultimative Rezeptur nicht gibt. Für die Qualität von Ras el Hanout ist also entscheidend, wer es gemischt hat. Das Gewürz selbst herzustellen ist schwierig, da es dafür Zutaten braucht, die nicht jeder in seinem Schrank stehen hat... angeblich bis zu hundert verschiedene. Und da ich außerdem kein Jean-Baptiste Grenouille bin, kann ich Ihnen nur ein paar Tips geben, wo Sie welches von guter Qualität kaufen können.
Babette's ist eine gute Quelle und in Deutschland
Ingo Holland. Bei beiden müssen Sie allerdings tief in die Tasche greifen. Trotzdem würde ich Ihnen dringend anraten, zum Einstieg erst einmal Ras el Hanout bei einem verlässlichen, wenn auch teurem, Lieferanten zu beziehen. Vergessen können Sie diverse, in Supermärkten erhältliche Gewürzmischungen mit Bezeichnungen wie "Marokkanische Gewürzmischung" oder auch "Tajinegewürz" und, und, und... Ich habe mein erstes Ras el Hanout vor Jahren
dort gekauft - damals noch ein kleines Geschäft für Tajines in der Neubaugasse, jetzt ein marokkanisches Restaurant, indem Sie Ras el Hanout zwar nicht mehr kaufen, dafür aber gustieren können. Wenn Sie dann eine Ahnung haben, wie Ras el Hanout riechen und schmecken sollte, können Sie sich auf die Suche begeben. In Wien haben Sie am Naschmarkt und am Brunnenmarkt gute Chancen, aber passen Sie auf. Riechen Sie daran, bevor Sie kaufen und wenn es Sie nicht allein durch den Duft ins Delirium der tausendundeinsten Nacht haut, lassen Sie es lieber bleiben. Ich habe bei fünf verschiedenen Ständen testweise Ras el Hanout gekauft. Vier davon waren für den Mistkübel... im eigentlichen Sinne...
Die Grundfesten von Ras el Hanout bilden Koriander, Kreuzkümmel, Paprika, Kurkuma, Piment und verschiedenen Pfeffersorten. Es hat aber im Gegensatz zu anderen orientalischen Gewürzmischungen wie Garam Masala eine sehr blumige Note, was an Zutaten wie Rose, Veilchen, Jasmin und Lavendel liegt. Gemeinsam mit süßen Gewürzen wie Nelken, Süßholz, Zimt und Sternanis schenken diese der herben Basis ein bisserl mehr Anmut und Liebreiz. Darüber hinaus gibt es noch eine Menge anderen Zutaten, je nach dem welcher "Chef" die Mischung zubereitet. Die ganz schlechten Chefs verwenden zuviel billiges Paprikapulver. Mit so einem Ras el Hanout können Sie vielleicht Gulasch kochen, aber für das nachfolgende Rezept nützt es Ihnen rein gar nix.
Mrouzia ist ein süßer Lammeintopf mit Sultaninen, Honig und Mandeln aus Marokko. Er wird mit viel Fett zubereitet und anschließend, ähnlich einem Confit, in einem Steingutgefäß aufbewahrt. Das Gericht kann auch in einer Tajine zubereitet werden. Weil ich aber immer größere Mengen davon koche, verwende ich meinen gusseisernen Schmortopf, da meine Tajine zu klein ist.
Die Zubereitung scheint auf den ersten Blick ein bisserl aufwändig, aber der Schein trügt. Wenn es auch vier Tage dauert, ist Mrouzia dennoch sehr einfach zu kochen. Mein Rezept ist eine europäisierte Variante, da manche Zutaten wie Olivenöl und Rosenwasser nicht ganz authentisch sind und ich die Menge von Honig und Fett ein bisserl reduziert habe.
- 1 kg Biolammschulter aus heimischen Gefilden, grob geschnitten
- 2 EL herausragend gutes Ras el Hanout
- 1/2 TL schwarzer Pfeffer
- 1/2 TL getrockneter Ingwer
- 1/4 TL Safranfäden
- 3 mittelgroße Zwiebeln
- 2 Knoblauchzehen
- 150 ml Olivenöl - ersatzweise Ghee (oder Smen) oder auch eine Mischung daraus
- Salz
- 3 EL Honig
- 2 EL Rosenwasser oder auch mehr nach Geschmack
- 200 g Sultaninen - schöne große, nicht die üblichen Kaiserschmarrenrosinen
- 200 g geschälte Mandeln
- eventuell noch frische oder getrocknete Rosenblüten
1. Tag: Fleisch würzen
Die Safranfäden in einer Pfanne kurz rösten, bis sie duften und ihr Aroma entfalten. In einen Mörser geben und fein mahlen. Ein wenig lauwarmes Wasser dazugeben, den Safran darin auflösen und beiseite stellen. Pfefferkörner und getrockneten Ingwer im Mörser zu einem Pulver zerstoßen, Ras el Hanout dazu geben und mit dem Safranwasser zu einer dicken Paste verrühren. Bei Bedarf noch mehr Wasser verwenden. Das grob geschnittene Lammfleisch damit gut einreiben, abdecken und über Nacht im Kühlschrank ziehen lassen.
2. Tag: Fleisch garen
Die Zwiebel entweder sehr fein schneiden, oder, ganz auf die Schnelle, in der Küchenmaschine hacken. Aber nicht zu Brei zermantschen! Ein paar Esslöffel Olivenöl in einem Topf erhitzen und die Zwiebel darin leicht bräunen. Den Knoblauch dazu pressen und das Lammfleisch mit anbraten. Achten Sie darauf, dass die Hitze nicht zu stark ist, da sonst die Gewürze verbrennen und bitter werden! Nach und nach das restliche Olivenöl dazu geben. Das Öl färbt sich durch den Safran und die Kurkuma knallgelb. Salzen und soviel heißes Wasser dazu geben, dass das Fleisch gerade bedeckt ist. Deckel aufsetzen und das Fleisch bei mäßiger Hitze ungefähr eine Stunde dahinsumpern lassen. Die genaue Zeit hängt von der Fleischqualität ab. Prüfen sie ab und zu! Sie können den Topf natürlich auch in den Backofen stellen oder im Slowcooker fertig garen. Die Garzeit muss dann halt entsprechend angepasst werden. Das Fleisch sollte gut weich sein, aber noch nicht zerfallen, da es während des Auskühlens noch weiter gart. Sultaninen und den Honig geben Sie kurz vor Ende der Garzeit dazu und ganz zum Schluss rühren Sie das Rosenwasser ein. Das Aroma verflüchtigt sich leicht.
3. Tag: Geduld üben
Der letzte und entscheidende Schritt ist es, sich zu beherrschen und das Fleisch noch mindestens einen Tag lang rasten zu lassen. Darum auch das viele Olivenöl. Sowohl Honig, als auch Fett tragen zur Konservierung des Fleisches bei. Das Öl setzt sich oben ab, schließt die Oberfläche und macht das Fleisch länger haltbar. Die Zwiebel zersetzen sich und die Sauce wird sämiger und runder. Das Fleisch wird butterweich und die Gewürze können tief eindringen.
4. Tag: Aufwärmen
Zum Essen brauchen Sie das Lammfleisch nur noch erwärmen und ganz traditionell in einer Tajine servieren (die unglasierten sind die zum Kochen, die glasierten jene für den Tisch). Einen Teil des Fettes können Sie vor dem Erwärmen abschöpfen, wenn Sie wollen. Ich will nicht. Vor dem Servieren mit gehackten Mandeln und getrockneten Rosen bestreuen. Die restlichen Mandeln auf den Tisch stellen. Nach Geschmack noch mit extra Honig oder Rosenwasser beträufeln.
Die klassische Beilage ist Fladenbrot oder Couscous.
Praktisch ist auch, Mrouzia portionsweise in Weckgläser abzufüllen. Diese können dann einfach im Wasserbad erwärmt werden. Der Herr Ziii bekommt sein Gläschen im Sackerl ins Büro mit und das Fräulein schiebt nach der Schule das Topferl einfach in den Dampfgarer. Oder aber Sie haben Gäste und keine Zeit zum Kochen. Dann kochen Sie vor. Die Gäste bekommen ihr Essen, direkt im Glas, mit ein bisserl Deko, auf einem schicken Teller serviert. Dazu gibt es ein Schüsserl Couscous und wenn noch Zeit bleibt, einen feinen Salat. Fenchel und Orange wäre doch fein?