Gebratener Radicchio oder Tardivo, Du Schöner
Eine bizarre Gemüserarität erobert derzeit die Wiener Märkte. Aus Italien kommend und dort immer schon geschätzt, findet die Radicchiosorte Tardivo auch hierzulande immer mehr Freunde. Kein Wunder, denn das Angebot an heimischem Wintergemüse ist überschaubar und immer Sauerkraut is a fad.
Mich begeisterte anfangs vor allem die Optik. Der Radicchio di Treviso Tardivo, so sein korrekter Name, ist derart hübsch anzuschauen, dass sein Anblick mich jedes Mal tief seufzen lässt. Trotzdem war mir der Neuling nicht geheuer. Als Vertreter der Zichoriengewächse erwartete ich mir von ihm in erster Linie eines... jede Menge Bitterstoffe. Und was diese betrifft, bin ich irgendwie noch Kind. Stark Bitteres verursacht bei mir Spucken im Affekt, was aber angeblich ganz normal ist. Die Natur hat den Menschen konditioniert... was bitter, ist giftig... oder gesund.
Dennoch mag ich den Tardivo besonders gern in gebratener Form, weswegen ich hier nun mein aktuelles Lieblingsrezept zum Besten geben möchte. Es ergab sich unlängst in einem vorübergehenden Zustand geistiger Weite, ganz überraschend und zufällig, sowohl die Weite als auch das Rezept.
Gebratener Raddicchio mit Knoblauch, Zimt und Korinthen
Die süße Komponente steht dem Radicchio außerordentlich gut. Das Gericht ist ratz fatz fertig und schmeckt mit cremiger Polenta fast noch besser als mit Weißbrot. Sollten Sie des Tardivos nicht habhaft werden, können Sie für das Rezept auch roten oder weißen Chiccorée verwenden.
- 2 Köpfe Raddicchio die Treviso Tardivo - ersatzweise auch eine andere feste Sorte oder Chiccoree
- 2 EL Pinienkerne
- Olivenöl zum Braten
- 2 EL Korinthen - ersatzweise auch Rosinen
- 2 Knoblauzehen
- 2 EL milder, fruchtiger Essig
- 250 ml Traubensaft
- 1 kleine Stange Zimt
- Salz
- Traubenkernöl - ersatzweise gutes, natives Olivenöl
(für 2 Personen, oder 4 Portionen als Vorspeise)
Zubereitung
1 Knoblauch schälen und mit der flachen Messerklinge andrücken. Die Pinienkerne entweder im Ofen oder gleich in der Pfanne trocken rösten.
2 Der Tardivo muss in der Regel nicht aufwändig zugeputzt werden, wenn es sich um frische Ware handelt. Falls doch notwendig, alle äußeren, nicht ganz so knackigen Blätter entfernen und auch jene mit braunen oder grünlichen Stellen. Den Stängel schälen bis das Weiße wieder zum Vorschein kommt, aber nicht abschneiden. Kleinere Köpfe der Länge nach halbieren, größere vierteln. Dann waschen, gut abtropfen lassen und ordentlich trocken tupfen, sonst spritzt es beim Braten gewaltig.
(Nachtrag... wer bezüglich der Bitterstoffe sehr empfindlich ist, kann die Radicchiohälften vor dem Braten noch eine halbe Stunde in lauwarmes Wasser einlegen. Beim besonders milden Tardivo sollte das aber eigentlich nicht notwendig sein)
3 Eine große Pfanne erhitzen, in der alle Hälften nebeneinander Platz haben. Olivenöl dazugeben und den Radicchio zuerst mit der Schnittfläche nach unten einlegen. Eventuell ein Spritzgitter verwenden, aber nicht zudecken. Sobald die Schnittflächen leicht gebräunt sind (dauert vielleicht 2-3 Minuten), umdrehen und auch auf der anderen Seite braten. Das Gemüse auf eine vorgewärmte Platte geben und beiseite stellen.
4 Nochmal einen Schuss Olivenöl in die Pfanne geben und die Korinthen und den Knoblauch darin schwenken. Zuerst mit dem Essig und dann mit dem Traubensaft ablöschen. Die Zimtstange einlegen und salzen. Die Hitze erhöhen und die Flüssigkeit auf ein Drittel reduzieren bis sie beginnt einzudicken. Den Radicchio mit der Schnittfläche nach unter wieder einlegen, gleich wieder wenden und bei mittlerer Hitze noch einige Minuten sanft schmoren. Dabei die Sauce gelegentlich über das Gemüse löffeln.
5 Vor dem Servieren etwas auskühlen lassen. Entweder gleich in der Pfanne auf den Tisch stellen oder auf einer Platte schön anrichten. Die Pinienkerne darüberstreuen und mit etwas Traubenkernöl (oder Olivenöl) beträufeln. Ein Schüsserl Salzflocken und die Pfeffermühle dazu reichen, wenn geht auch noch eine Schüssel dampfende Polenta oder frisches Weißbrot.
Wenn Sie mehr über den Tardivo wissen wollen, empfehle ich Ihnen die folgenden Links...
Ein netten Bericht im Standard über die Herkunft der 'Blüten des Frosts' finden Sie an dieser Stelle.
Außerdem widmet sich die dieswöchige Ausgabe des Falters dem Thema Tardivo. Holen Sie sich vorab Gusto und lesen Sie bei der Autorin der Kolumne hier nach.
Tardivo in Bioqualität bekommen Sie beim Biomartin am Yppenmarkt (den Tipp habe ich von dieser kompetenten, weil halbitalienischen Kollegin) oder an diversen Verkaufsständen von Adamah.
Viel Glück auf der Suche nach dem Schönen
Großartig geschrieben. Ich bin auch gar kein Freund von Bitterem - außer bei Campari! Da mache ich gerne eine Ausnahme! Aber Chicoree oder Radiccio sind nicht meins. Dabei sind sie soooo schön! Ich werde jetzt mal über meinen Schatten springen und Deine Variante ausprobieren. Vielleicht bin ich dann bekehrt. Denn so langsam erobern die feinen Sorten auch den Wiesbadener Wochenmarkt...
AntwortenLöschenWenn Du sehr empfindlich bist und eine etwas bittere Sorte erwischt hast, kannst Du den Radiccio halbieren und eine halbe Stunde in lauwarmes Wasser einlegen. Das nimmt ihm nochmal Bitterstoffe raus.
Löschenich mag ihn sehr und bitter macht mir nicht so viel, aber meiner besseren Hälfte kann ich ihn nur vorsetzen, wenn er schon entschärft ist ;)
AntwortenLöschenlang hab ich schon keinen mehr gemacht, danke für den Denkanstoß
Ich mag diesen wunderschönen Radicchio auch sehr gern! In diesem Buch (http://fliederbaum.blogspot.co.at/2015/01/radicchio-tardivo-ein-genussbuch-und.html) sind schöne Fotos drin, kennst du es?
AntwortenLöschenLeider gab es heute am Naschmarkt null Radicchio zu kaufen, nicht einmal den "normalen" oder ich bin immer zu spät dran :-(
Und ich hatte gerade neulich einen Radicchioflash auf unserem Viktualienmarkt! So schön, und so gesund. Dein Tardivo ist ja besonders attraktivo.
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