Rotschmoren statt Grün- und Blauärgern

Die Wiener fahren gern Tangente. Drum ist sie immer so voll. Sie ist jener Teil der Stadtautobahn, der den Osten mit dem Süden verbindet, drum heißt sie eigentlich Südosttangente. Sie ist die Hauptschlagader und Herzstück allen Verkehrs in Wien. Meist fährt man aber nicht, meist steht man herum. Dennoch liebt der Wiener seine Tangente, weil nirgendwo sonst in Wien kann er sich so gehen lassen wie auf der Straße von Kaisermühlen nach Vösendorf und retour. Durch konstante Abwesenheit sorgt die Polizei für entsprechende Sicherheit. Dem Autofahrer kann so nämlich ganz sicher nix passieren. Von der Exekutive ignoriert, ist die Tangente dem Wiener sein Leo - Zufluchtstätte und Ort der Anarchie. Es ist alles erlaubt. Geschwindigkeitsbeschränkungen gibt es keine, nur für die Deutschen. Denen ist das aber wurscht, weil Wien hat ja nicht dieses neumodische Zeugs, diese Radarfrontblitzgeräte, die bei Tempo 280 ein gestochen scharfes Porträtbild liefern. In Österreich wird hinterweltlerisch dem Autofahrer nachgeblitzt, was daran liegt, dass andernfalls der Polizist seine Radarpistole noch nach Süden richtet, während der deutsche Autofahrer bereits als Sternschnuppe am nördlichen Horizont verglüht. Aber nimmer lang, denn am Wiener Außenring werden bereits die ersten Von-Vorne-Blitzgeräte getestet, aber nur dort, denn auf der Tangente sind ja alle im Leo. Dort wird so oder so nicht geblitzt, weder von hinten, noch von vorn, weil jeder nur froh ist, wenn - Gott sei Dank - endlich was weitergeht. Und owohl die Straße der Gesetzlosen eigentlich ohne Reglementierung auskommt und eh alle machen dürfen, was Sie wollen, möchte ich Ihnen trotzdem, zwecks Beibehaltung des Flows, folgende Richtlinien ans Herz legen, falls Sie mal nach Wien kommen. Die Wiener selbst beherrschen die zehn Tangentenregeln ja sowieso aus dem Effeff.
  1. Zah an!
  2. Schleich Dich!
  3. Blinken gilt nicht!
  4. Zuwanderer aus den Verzögerungsstreifen der Auffahrten dürfen nicht rein, denn es sind eh schon viel zu viele!
  5. Während des Linksüberholens ist grundsätzlich zu hupen!
  6. Rechts überholen ist dann erlaubt, wenn die rechte Spur frei ist, weil sich alle Trotteln links anstellen!
  7. Zuwischneiden oder Einibremsen ist durch vorheriges wildes Gestikulieren, Schreien aus geöffnetem Autofenster oder durch Betätigen der Lichthupe anzukündigen!
  8. Der Sicherheitsabstand darf das Höchstmaß einer halben Stoßstangenbreite nicht überschreiten!
  9. Die StVo gilt nur im Bereich vor und nach der Tangente!
  10. Insbesondere für LKW gilt gar nix!
Beherzigen Sie diese Regeln und sind Sie auch nicht zimperlich, haben Sie gute Chancen auf den Tangentenhighscore. Außer zur Weihnachtszeit - da steht der Laden von Osten nach Süden und von Süden nach Osten. Und der Norden und der Westen stehen mit. Sippenhaftung!
Zwischen 1. Dezember - dem Tag des 14. Monatsgehalts - und Neujahr bleiben Sie daher lieber zu Hause und entschleunigen mit ein bisserl Slowfood. Besonders empfehlen kann ich Ihnen dafür Rotgeschmorten Schweinebauch, ein traditionelles Gericht aus China für das es so viele Rezepte wie Köche gibt. Immer mit dabei sind aber Sojasauce, Reiswein und eine Menge Gewürze, die das Fleisch mit ihrem Aroma durchdringen und schon beim Kochen so richtig schön nach Weihnachten riechen. Das und die einfache Zubereitung sorgen garantiert für Sanftmut und inneren Frieden.

  • 1 kg Bauchfleisch mit Schwarte vom Bioschweinderl
  • 400 ml chinesischer Reiswein Shaoxing
  • 200 ml gute, natürlich gebraute Sojasauce ohne Zusatzstoffe
  • 100 g brauner Zucker oder ich verwende auch gerne Ahornsirup
  • 800 ml chinesische Hühnerbrühe, zur Not Wasser, aber keine Suppenwürze wie wir sie hier bei uns kennen
  • 3 Sternanis
  • 3 TL Fenchelkörner
  • 1 ganze, große Stange chinesischer Zimt - Cassiazimt
  • 2 TL Sechuanpfeffer
  • 1 TL Gewürznelken
  • 15 dünne Scheiben frischer Ingwer
  • 3 Knoblauchzehen, mit dem Messer gequetscht

falls Sie bekommen:
  • getrocknete, grüne Mandarinenschale, ansonsten mit dem Sparschäler abgezogene frische Mandarinenschale oder Orangenschale
  • chinesische Süßholzwurzel

Für den Sud geben Sie einfach alle Zutaten in einen hohen Topf. Das Bauchfleisch schneiden Sie in gröbere Stücke (ca. 4 cm), aber so, dass Sie an jedem Stück Schwarte dran haben. Lassen Sie den Sud kurz aufkochen und geben Sie dann erst den Schweinebauch hinein. Es sollte zu 2/3 bedeckt sein. Legen Sie einen Deckel auf und schmoren Sie das Fleisch am Herd bei geringer Hitze bis es butterweich und zart ist. Das dauert, je nachdem, eineinhalb bis zwei Stunden. Dazwischen drehen Sie das Fleisch gelegentlich um. Anschließend im Sud auskühlen lassen und aufbewahren. Das Fleisch erhält dadurch seine typische rotbraune Farbe, die der Garmethode ihren Namen gibt - Rotschmoren.
Sie können aber auch andere Fleischstücke verwenden. Rotgeschmortes Huhn oder Ente sind in China auch sehr beliebt.

Zum Servieren erwärmen Sie das Fleisch im Sud. Für die Sauce schöpfen Sie etwas Sud durch ein Sieb ab und binden ihn ganz wenig mit Guakernmehl oder Kuzu. Sie können den Sud aber auch einkochen lassen. Dann müssen Sie allerdings aufpassen, dass die Sauce nicht zu würzig wird. Das Fleisch wird in Scheiben geschnitten und in der Sauce serviert. Beliebt ist auch die Methode gekochte Taro (kann ebenfalls im Sud mitgegart werden) in Scheiben zu schneiden und abwechselnd mit dem Fleisch auf einen Teller zu schlichten. Die Sauce wird darüber gegossen. Dazu wird natürlich weißer, ungesalzener chinesischer Reis gegessen.

Den Rest vom Sud stellen Sie in den Kühlschrank. Sie können ihn als Basis für eine Meistersauce verwenden. In China werden immer wieder Fleischstücke in diesem Sud geschmort. Von Zeit zu Zeit wird Flüssigkeit ergänzt und neue Gewürze hinzugefügt. Durch das ständige Aufkochen in regelmäßigen Abständen können sie ihn praktisch unbegrenzt aufbewahren. In China - heißt es - gibt es Familien, in denen die Meistersauce über Generationen weitergegeben wird. Sie ist auf Grund ihrer geballten Kraft an Qi von unschätzbarem Wert.







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7 comments:

  1. *g* zur Tangentenstory und die Fotos sind allesamt seeehr schön!!!! lg Andrea

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  2. Ja, die Tangente. Ich war noch nicht oft dort als Grazerin, aber die macht mir Todesangst. :(

    Den Schweinebauch habe ich auch schon einmal so ähnlich gekocht. Sehr gschmackig, das Zeug! Das mit der Sauce wusste ich noch nicht, ergibt aber Sinn, da sie wirklich sehr köstlich ist. Zum Wegwerfen zu schade.

    Liebe Grüße
    Nadja

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  3. @soulcooking, freut mich sehr, dass dir mein Blog gefällt. Ich wurde übrigens an der TCM-Akademie ausgebildet. Wir sind quasi Kollegen :)

    @Nadja, keine Angst vor der Tangente, denk immer an die zehn Regel, dann geht 's schon ;)
    Und Du hast recht, die Sauce ist wirklich viel zu schade zum Wegwerfen. Mir passiert es nur immer wieder, dass ich vergesse sie aufzukochen. Dann bleibt mir nichts anderes übrig.

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  4. Interessant das mit dem Weitergeben. Die Meistersauce ist bei uns Sauerteig. ;-)

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  5. Zorra, Du triffst den Nagel auf den Kopf. Das sollten die "drei Waserl" lesen;-) Ellja, Eline und Turbohausfrau weigern sich nämlich die Sauce weiterzuverwenden, aber Brot essen sie schon, gell?

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  6. ich hättert da bitte eine frage, und zwar zur hühnerbrühe. was ist so chinesisch daran, gibts da ein sonderrezept? oder nimmst du da ein extrakt ausm asiashop? oder darf es ausnahmsweise auch a österreichische hendlsuppe sein?
    lg queenofsoup

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  7. Ich habe lange gebraucht, bis ich drauf gekommen bin, was das Geheimnis der chinesischen Hühnersuppe ausmacht und war dann sehr überrascht: nämlich genau nix! Die Chinesen kochen ihre Hühnerbrühe mit ohne was drin. Die wenigen gerade noch erlaubten Zutaten sind, Frühlingszwieberl, Ingwer und getrocknete Pilze. Von allem eine eher homöopathische Dosis. Salz natürlich auch noch! Unsere Hühnersuppe enthält Aromen, die zwar gut sind, aber in der chinesischen Küche kaum vorkommen, wie Petersilie, Sellerie, Liebstock, Lorbeer,...Außerdem verwenden wir weniger Fleisch und ergänzen eben. Die Chinesen geben mehr Fleisch rein, oft ein ganzes Huhn mitsamt den Füßen und dann noch die Knochenrestln vom Vortag. Das kochen sie dann stundenlang. Das Fleisch verwenden sie gar nicht mehr. Das ist völlig ausgelaugt und wird weggeworfen. Die Brühe ist dementsprechend kräftig, schmeckt aber nach Huhn pur.
    Mit "keine Suppenwürze" meine ich vor allem Suppenwürfel oder andere Instantsuppenwürzen nach europäischem Geschmack. Das würde das Ergebnis halt schon sehr verfälschen. Dann lieber nur Wasser.
    Lieben Gruß aus Wien von Frau Ziii

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