Schlehen, überall Schlehen, Schlehenlikör und sonst nur Psychos

Ich habe gerade die Oh-Gott-der-Winter-ist-da-und-wir-werden-alle-verhungern-Phase. Alles wird eingekocht, eingelegt... mit Zucker oder ohne, in Essig oder Öl, in Salzlake oder Alkohol... und unlängst waren die Schlehen dran... bitter oder süß... darüber entscheidet allein der Zeitpunkt der Ernte.

Unreife Schlehen enthalten einen Bitterstoff, der an den pelzigen Geschmack von Bananenschalen erinnert. Erst wenn der Frost die Beeren durchgefroren hat, zieht der Strauch die Bitterstoffe in die Wurzeln zurück. Die Früchte werden süßer und erinnern dann geschmacklich an eine Mischung aus Holler und Zwetschke. Nach ihrer wundersamen Transformation erleiden sie jedoch schnell ein ähnliches Schicksal wie die Hagebutten und werden in null komma nix von den Vögeln weggefressen. Der moderne Schlehenpflücker von heute holt die Beeren daher rechtzeitig vom Strauch runter und friert sie ein, aber ich sag Ihnen, das ist Blödsinn. Nie und nimmer kann eine Tiefkühltruhe die Natur ersetzen. Die beste Schlehe ist die reife Schlehe vom Strauch. Also... Schlehensträucher schon im Frühjahr rechtzeitig sichten und wenn die schweren Nachtfröste da waren und sich der Raureif über die Landschaft legt, auf in die Dornenhecke und Schlehen brocken.

Doch Obacht! Der Neuntöter geht um. Die grausame Bestie, von manchen auch der Rotrückenwürger genannt, lauert im dichten Gestrüpp auf seine Opfer. Er tötet blitzschnell durch Biss in den Nacken und verschleppt die Beute in die Untiefen seiner (meiner) Schlehenhecke. Dort spießt er sie an den langen Dornen der Schlehenzweige auf... und zwar genau neun an der Zahl... ehe er sie verspeist... Sie glauben mir nicht? Dann lesen Sie da. Ich durfte lange Zeit nicht einmal in die Nähe einer Hecke gehen und daran ist allein die Tante Doris schuld... denn die hat damals im Kindergarten dem Fräulein Ziii von dem Monstrum im Gebüsch erzählt, das in Wahrheit ein kleiner Piepmatz mit ein paar echt schrägen Ernährungsgewohnheiten ist. Mittlerweile ist das Fräulein aber fast schon groß und ich darf wieder Schlehen brocken. Sie fürchtet nun weniger den Würger im Gebüsch, sondern, mehr den Mann, der "weiß was sie letzten Sommer getan hat" und der in den Gewölben unseres Kellers herumschleicht. Zumindest behauptet das Fräulein das. Der Herr Ziii und ich betrachten ihn bereits als Familienmitglied und nennen ihn liebevoll den 'Schlächter vom Kalenderberg', was das Fräulein überhaupt nicht lustig findet, wir aber schon... es sei denn, der sauft im Keller meinen Schlehenlikör aus... dann ist Schluss mit lustig!



Die Beeren des Schlehdorns zählen zu den Steinfrüchten, haben einen großen, harten Kern und verhältnismäßig wenig Fruchtfleisch. Der Kern enthält so wie jede Steinfrucht Blausäure, die in größeren Mengen giftig ist, so wie die Kerne der Zwetschke, der Kirsche und der Marille auch. Unglücklicher Weise verleiht aber genau dieser Stoff das begehrte Aroma von Bittermandeln. Den Likör nach dem folgenden Rezept können Sie bedenkenlos trinken. Die Kerne ziehen nur kurze Zeit und der Ansatz wird anschließend aufgekocht, was der Blausäure angeblich hilft sich zu verflüchtigen.

Für den Ansatz brauchen Sie:
  • 150 g Schlehen - das war meine magere Ausbeute; die Vögel waren heuer verdammt schnell und meine drei Schlehenbüsche sind noch sehr jung
  • 150 ml Wasser
  • 200 ml guter Rotwein


Die Schlehen waschen und ein Viertel davon im Mörser zerstoßen, sodass die Kerne aufbrechen. Den Rest der Beeren mit der Gabel zerdrücken und beides in einen Topf geben. Das Wasser dazu gießen, aufkochen und ein paar Minuten leicht köcheln lassen. Dann abkühlen lassen und in ein größeres Glas geben. Den Rotwein dazu geben, gut verrühren und abgedeckt an einem kühlen Ort ziehen lassen. Ungefähr so lange, wie es dauert einen Schal zu stricken. Das Fräulein Ziii brauchte nämlich ganz dringend einen neuen, weil der alte vom letzten Jahr nur mehr als Putzfetzen taugt. Und der Neue musste genau so ausschauen, wie der auf dem Foto von der xx. Zum Glück für das Fräulein gehöre ich einer Generation an, der in der Schule noch das Schürzennähen, Topflappenhäkeln und ähnliche essentielle Dinge beigebracht wurden. Auch wenn ich damals keinen Bock auf Sockenstricken hatte, konnte ich das Fräulein mit den erworbenen Fähigkeiten doch schwer beeindrucken, denn wer Socken stricken kann, schafft auch einen Schal... und wer keine Socken stricken kann, ebenso...

Sie brauchen:
  • 250 g möglichst dicke, kuschelige Wolle - das sind üblicher Weise 5 Knäuel zu 50 g; meine hatte 120 m Lauflänge und als Nadelstärke war 10-10,5 angegeben
  • 1 Paar fette Stricknadeln -  je nachdem wie fest oder locker Sie stricken

Anleitung für einen Loop-Schal im echten Patent 
42 Maschen locker anschlagen. In der 1. Reihe 1 Randmasche stricken, dann abwechselnd  1 Masche wie zum Linksstricken abheben, Faden hinter die Nadel legen und 1 Masche glatt stricken. Die letzte Masche wieder als Randmasche abstricken. In der Rückreihe wiederholen. Dabei die Maschen, die links erscheinen wie zum Linksstricken abheben und die Doppelmasche glatt stricken, usw... Das echte Patentmuster wird auf beiden Seiten gleich gestrickt und erscheint daher auch auf beiden Seiten gleich. Der Schal sollte eine Breite von 20 cm haben und ungefähr 160-170 cm lang sein, je nachdem wie groß Sie sind. Dann lässt er sich schön zweimal rundherum wickeln. Die Maschen am Schluss abketteln, die Fäden vernähen und mit der restlichen Wolle die beiden Enden zusammennähen. Wenn der Schal fertig ist, so ungefähr nach fünf Tagen, ist auch der Ansatz reif zur Weiterverarbeitung. 

Dafür brauchen Sie:
  • ungefähr 250 ml gefilterter Ansatz, wie oben beschrieben
  • 80 g brauner Kandiszucker
  • 50 ml roter Portwein
  • 300 ml Wodka

Der Ansatz wird durch ein feuchtes Tuch geseiht. Dabei darf nicht gepresst werden, da sonst Trübstoffe in den Ansatz gelangen. Das Tuch einfach mehrere Stunden, oder am besten über Nacht über einen Topf hängen. Es sollten ungefähr 250 ml Flüssigkeit zurück bleiben. 

Den gut gefilterten, möglichst klaren Ansatz gemeinsam mit dem Kandiszucker in einen Topf geben und langsam erhitzen, sodass sich der Zucker auflöst, bevor die Flüssigkeit zu kochen beginnt. Anschließend ein paar Minuten köcheln und vom Herd nehmen. Den Portwein dazu geben und alles gut abkühlen lassen. Ist der Schlehenwein auf Zimmertemperatur abgekühlt, mit dem Wodka vermischen und den fertigen Likör nochmal durch ein Tuch seihen. In eine saubere Flasche füllen, verschließen und an einem kühlen, dunklen Ort aufbewahren. Er braucht nur noch seine Ruhe. Und nach Weihnachten, in den Rauhnächten, wenn die Perchten umgehen, ist der Schlehenlikör fertig um Sie zu wärmen und die bösen Geister auszutreiben, denn diese Eigenschaft sagt man den Schlehen auch nach.

Ah ja, und nebst Rotrückenwürger und Schlächter vom Kalenderberg wäre da noch Psychokitty bei uns anzutreffen, des Katers große Schwester, um eine halbe Stunde älter, in höchstem Maße neurotisch und von uns auch 'Psycherl' genannt. So selbstbewusst, wie mit ihrem todschicken neuen Loop, habe ich sie lange nicht erlebt.











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11 comments:

  1. Tolle Fotos und wieder mal ein wunderhübsches Fräulein Ziii.

    Schlehen hab ich bis jetzt irgendwie nur als Schnaps getrunken, würde jetzt aber doch gerne mal mehr probieren, bin neugierig :-)

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  2. ein Post so richtig zum sich reinkuscheln ... ;-)
    Liebe Grüsse aus Zürich,
    Andy

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  3. Viel Eingekochtes (volle Vorratskammer) ist fuer die Frau wie viel Holz vor der Huette fuer den Mann - wenn du verstehst, was ich meine ;)

    Und Patentgestricktes ist ja so mollig...

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  4. Gut, dass ich das tagsüber im Hellen gelesen habe und nicht kurz vor Mitternacht. Da gruselt man sich ja. Was hast Du bloss für schräge Gestalten/Vögel um Dich - ausser dem Fräulein natürlich, das ist ein ganz Hübsches.
    Ich würde auch gerne Schlehenlikör machen. Mal gucken nächstes Frühjahr, wo so eine Staude steht.

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  5. Schlehen hab ich hier keine....vielmehr ich weiß es einfach nicht, aber Socken kann ich stricken wie eine Eins.
    Also Flasche ist da, Wolle ist da, fehlt mir nur noch der Schnaps!
    Toll...wie immer!

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  6. wieder eine dieser magaziin-reifen Geschichten. Lesens- und schauenswert von der ersten bis zur letzten Stricknadel, auch wenn man weder stricken kann, noch Zugriff auf Schlehen hat.

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  7. Hallo Frau Zii,

    seit ein paar Monaten folge ich still und leise deiner Seite und sie gefällt mir so sehr!
    Vielen Dank für deine wunderschönen Texte und diese Fotos- hmmmmm!
    Ja- auch ich bin im Einkochwahn. bei mir gibts mindestens jede Woche etwas ins Glas oder in die Flasche.
    vielen Dank für dieses tolle rezept- habs natürlich gleich gepinned.
    Ich sende Dir liebe Grüße aus Norddeutschland,
    Frau Glasgeflüster

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  8. Schlehen sind wunderbar, wenn ich sie bisher auch nur in Form von Wein gekostet habe. Aber dies ist eine wunderbare Inspiration, mehr davon zu probieren. Merci dafür!
    Claudia

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  9. Schlehenlikör ist was ganz Feines. Ich bin leider meist - auch dieses Jahr - zu faul zum Schlehenpflücken ... bekommen alles die Vogerl. Und du hast völlig recht: ich hab's mal mit Einfrieren probiert - kann man vergessen!
    Sehr elegant, die Katze mit Schal, muss ich schon sagen - mein Kater täte mich allerdings wahrscheinlich zerbeissen, wenn ich ihm sowas anziehen wollte :-)

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  10. Das Foto der Katze mit dem Schal um den Hals gewickelt ist göttlich, wie oder eher: habt ihr ihn überhaupt zurück bekommen??
    lg,
    PS: Rezept inkl. Strickanleitung ist perfekt!

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  11. Das ist mal wieder so eine Geschichte - eine Warum-ist-sowas-mir-nicht-eingefallen-Geschichte... Sie ist einfach nur genial :-)
    Ich habe die Schlehen heuer eingefroren und dann verarbeitet - seit dem Minimädel richtet sich mein Ernteplan vor allem nach IHR ;-)

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