Ein geschichteter Broteintopf (Zuppa di Valpelline), ein Kohlkopf und ein Frosch...

Grünkohl ist in Österreich eine Rarität. Ich traue mich sogar ganz unverfroren zu behaupten, dass der Großteil der Österreicher nicht einmal weiß, was das ist. Und auch ich habe nicht schlecht gestaunt, als mir der erste Grünkohl meines Lebens über den Weg gelaufen ist. Das war vorletztes Wochenende. Am Wiener Naschmarkt. Da aber gleich eine ganze Scheibtruhe voll.
Das Teil schaut irgendwie schräg aus. Grünkohl besteht nämlich aus einzelnen Blättern, die wie Palmwedel an einem dicken Stängel hängen. Er bildet also keinen festen Kopf, wie oft andere Kohlsorten, weswegen das Fräulein sich den Grünkohl auch wie einen Parapluie auf den Kopf setzen kann. Regnet sicher nicht durch und rein optisch gesehen ist das wohl ein schönes Sinnbild für einen 'petit chou'. Endlich hab ich kapiert, was die Franzosen damit meinen. 'Mon petit chou' ist in der französischen Sprache nämlich ein gängiger Kosename und bedeutet wörtlich übersetzt 'mein kleiner Kohlkopf'. Das mutete mir in der Schule einst seltsam an, aber seit ich den Herrn Ziii kenne und dieser mich 'sein kuschelweiches Frotteefroschi' nennt, wundert mich diesbezüglich gar nix mehr. Dank des Grünkohls, kann ich jetzt sogar visualisieren, was ein 'petit chou' sein soll. Warum der Herr Ziii allerdings an einen Frosch denkt, wenn er mich ansieht, kann ich Ihnen leider noch immer nicht sagen. Das Fräulein meint, er warte vielleicht darauf, dass es 'Plopp' macht, wenn er mich küsst.


Nachdem mir persönlich der Grünkohl neu war, habe ich ein Zeiterl gebraucht herauszufinden, welcher Bestimmung ich ihn zuführen werde. In der heimischen Küche bin ich nicht so recht fündig geworden, obwohl sich jedes beliebige österreichische Kohlgericht sicher auch mit Grünkohl zubereiten lässt. Der klassische Wiener Kelch (sprich Köch), ein eingebranntes Kohlgemüse, wird jedoch aus einer Art Wirsingkohl gemacht. Eine alte Sorte ist der Wiener Kapuzinerkelch, der aber heute kaum mehr erhältlich ist. Überhaupt ist die Auswahl an verschiedenen Kohlsorten in den österreichischen Gemüseregalen eine traurige Angelegenheit, wenn man bedenkt wie vielfältig die Kohlfamilie ist. Doch ich hege eine gewisse Hoffnung, dass sich das bald ändern wird, denn der Trend geht verstärkt in Richtung Regionalität und Artenvielfalt. Eine Scheibtruhe voll Grünkohl am Wiener Naschmarkt ist auf jeden Fall ein Anfang.

Ich habe mich also vorerst in den Küchen anderer Länder umgeschaut, in denen der Grünkohl zu Hause ist und bin dabei auf die italienische Zuppa di Valpelline gestoßen, eine Art geschichteter Broteintopf, der aus dem Aostatal kommt. Zwar wird auch dieser in Italien meist mit Wirsing zubereitet, manchmal mehr als Auflauf, manchmal mehr Suppe, wie auch immer. Der Eintopf hat mich jedenfalls derart angelacht, dass ich nicht drum herum gekommen bin. Außerdem hatte ich eine Menge Brotreste zuhause, die mir nahezu geschaffen schienen, in Suppe getränkt, mit Grünkohl, Käse und Speck geschichtet, meinen Hunger auf ein deftiges Wintergericht zu stillen. Weil Frühling ist noch immer nicht.
Überraschend war für mich vor allem, dass das Brot, obwohl es lange in der Suppe lag, trotzdem nicht zum Gatsch verkommen ist. Schon sehr weich und vollgesogen, aber trotzdem von angenehmer Konsistenz. Selbst am nächsten Tag.


  • 300 g Grünkohl oder auch Wirsing
  • 6 dicke Scheiben altes Sauerteigbrot - möglichst ungewürzt - die Qualität ist entscheidend für das Gelingen
  • 2 Zehen Knoblauch
  • 200 g würziger Bergkäse oder Appenzeller - im Original Fontina
  • 200 g Speck oder fetteres Selchfleisch in Scheiben (1/2 cm stark) - wobei Sie den Eintopf natürlich auch ganz vegetarisch zubereiten können
  • 500-800 ml Hühnersuppe oder Gemüsebrühe - die genaue Menge hängt natürlich vom Brot ab, das Sie verwenden - lieber mehr Suppe vorrätig, als zuwenig
  • Olivenöl
  • Salz

(für 2 Personen)

Den Ofen auf 180 Grad vorheizen.

Die Blätter des Grünkohls vom Stängel schneiden und die dicken Blattrippen entfernen. Das geht am leichtesten, wenn Sie mit einem kleinen Gemüsemesser einfach am Stängel entlang fahren. Die Blätter dann noch quer in 1 cm breite Streifen schneiden.

Das Brot, bis auf ein oder zwei Scheiben toasten, oder auch in der Pfanne trocken anrösten bis es schön goldbraun ist. Die Knoblauchzehen halbieren und mit den Schnittflächen das heiße Brot ordentlich auf beiden Seiten einreiben.

Den Käse reiben.

Den Speck bzw. das Selchfleisch in Portionen schneiden, nicht zu klein, und in der Pfanne auf beiden Seiten anbraten. Anschließend auf einen Teller geben und beiseite stellen. Im verbleibenden Fett den gewaschenen Grünkohl andünsten, wenig salzen und ungefähr 100 ml von der Suppe dazu gießen. Einen Deckel aufsetzen und den Kohl ungefähr 5 Minuten weich dünsten.

So, und nun wird geschichtet. Den Boden eines ofenfesten Topfes oder einer Auflaufform mit Brot auslegen. Dann eine Schicht Grünkohl darüber verteilen. Dann das Selchfleisch oder den Speck auflegen und mit einer Lage Käse bestreuen. Dann wieder Brot, usw... Am Ende legen sie das ungetoastete Brot auf, pressen darüber, was vom Knoblauch übrig geblieben ist und streuen noch einmal ein bisserl Käse darüber. Dann drücken Sie das Ganze mit den Händen ein bisserl in die Form hinein. Jetzt noch die Suppe heiß machen, sonst dauert es zu lange, und die Auflaufform randvoll füllen damit. Einen Schuss Olivenöl darüber träufeln und den Eintopf im Backrohr ungefähr eine halbe Stunde überbacken. Sollte die Oberfläche zu schnell bräunen, legen Sie einfach ein Stück Backpapier auf. Kurz vor Ende der Garzeit wird noch mal mit heißer Suppe aufgefüllt.


Rezeptinspiration: " Die echte italienische Küche" von Hess und Sälzer und "Natürlich Jamie - Italienische Brot-und Kohlsuppe" von Jamie Oliver


Recipe in English

Italian Bread and Kale Soup (Zuppa di Valpelline)

Kale is not a very popular vegetable in Austria. We know many other sorts of cabbage, like savoy cabbage, white and red cabbage... but usually no kale. Owing to increasing organic farming, more diversity of vegetables and of course influences from overseas, kale becomes more and more popular in Austria, too. So I stumbled on my first Kale on the Vienna Naschmarket last weekend and I have been taken by this oddity immediately. It looks like a mini palm tree and as you can see on the picture above, Miss Ziii could even use the vegetable as an umbrella. I guess this is exactly what the French mean, when they call somebody 'mon petit chou'.

In Viennese cuisine there are no special recipes with kale and so I gave the following Italian recipe a try... and was not disappointed.


  • 300 g kale - traditionally a savoy cabbage is used, so you can take this one, too
  • 6 thick slices of unseasoned stale bread 
  • 2 cloves garlic
  • 200 g spicy Appenzeller or Fontina
  • 200 g streaky bacon (1/2 cm thick) - but you can cook the soup of course entirely vegetarian
  • 500-800 ml chicken broth or vegetable broth - the exact amount will depends on the bread you use - more soup stock rather than too little
  • Olive oil
  • Salt
(Serves 2)

Preheat the oven to 180 degrees.

Cut the leaves of green cabbage from the stem and remove the thick leaf veins. This is easiest if you just run a small paring knife along the stem. Then cut the leaves crosswise into strips.

Toast the bread, except one or two slices, until it is golden brown. Cut the garlic cloves into half and rub the bread on both sides.

Grate the cheese.

Cut the bacon into portions, not too small, and fry in a pan on both sides. Then set aside on a plate. In the remaining fat, fry the washed kale with a little salt and pour about 100 ml of the broth into the pan. Put the lid on and cook for about 5 minutes until the vegetable is soft.

Well, now lay the bottom of an ovenproof pot or casserole dish with some of the bread. Then spread over a layer of kale and bacon and sprinkle over some cheese. Then again, bread, etc... End with a layer of untoasted bread. Squeeze into the casserole, what is left over from the garlic, and sprinkle some cheese over it again. Push down on the layers with your hands. Bring the stock to the boil and fill the dish with it. Add a drizzle of olive oli and bake into the oven for about half an hour. Shortly before the end of the cooking time fill the casserole again with hot soup.



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Lieben Gruß aus Wien von Frau Ziii


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10 comments:

  1. In Amiland essen sie den Kohl ja gerne sehr gesund und roh...das habe ich schon probiert...so gesund will ich gar nicht werden.
    Die Suppe ist schon eher mein Fall..obwohl...am schönsten find ich ihn als Kopfschmuck. Hat so was von Folies Bergère.

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  2. Dieser Eintopf sieht ja schon grandios aus, doch richtig angesprungen hat mich gerade dieses Brot. Wo in Wien hast Du das denn gekauft?

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  3. Liebe Frau Ziii, im Rahmen Ihrer Nachforschungen wird Ihnen vermutlich auch nicht der angeblich so typisch deutsche "Grünkohl mit Pinkel" entgangen sein. Als Kind fand ich die Bezeichnung wohl immer sehr amüsant, allerdings wenig reizvoll, jedoch hatte ich nie das Vergnügen des Probierens, da meine Eltern als österreichische Enklave in Deutschland im Leben nicht auf die Idee gekommen wären, SO ETWAS nachzukochen. Ein einziges Mal hatte ich vor Jahren das Vergnügen, als ich in der Oldenburger Gegend von einer mir bis dahin völlig Unbekannten zum Essen eingeladen war, die ebenfalls unsere Leidenschaft für bestimmte Jagdhunde teilte und durch deren Gastfreundschaft wir dieses Gericht auch im passenden Umfeld schätzen gelernt haben: gerade heraus, bodenständig und ohne Schnickschnack. Und als Grundlage für den darauf folgenden Schnaps. Aber hallo! Viele Grüße !

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  4. Eigentlich habe ich ja jetzt schon die Nase voll vom Winter - aber wenn ich dass so sehe, dann hat die Jahreszeit noch immer einen Sinn!

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  5. ich liebe Grünkohl und bekomme ihn freitags auf unserem Markt. Sehr imposante Pflanze. Ich mach am liebsten eine Caldo verde mit Chorizo damit.
    Und sag dem Fräulein, schönen Gruß aus Linz, es soll nicht so frech zu seiner Mutter sein ;-))

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  6. Grünkohl mag ich hingegen wieder gar nicht, außer wie Sybille schon erwähnte als Kopfschmuck ganz nett anzusehen, aber mit Wirsing würde ich das sehr gerne ausprobieren :-)

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  7. Liebe Frau Ziii,
    mit Begeisterung lese ich immer wieder Ihre kulinarischen Abenteuer und heute, heute bin ich besonders begeistert. Denn ich komme ja aus einem Grünkohlland. Und wenn Sie den Grünkohl mit einer Palme vergleichen, dann muss ich Ihnen sofort schreiben, dass er ganz weit oben, da wo schon die Nordseewellen an den Strand schlagen "Friesenpalme" genannt wird.
    Ich hatte auch über Grünkohl, Grünkohlsitten und Variationen der Zubereitung im toettchen Blog geschrieben, denn Grünkohl ist bei uns im Norden Kult!

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  8. Wenn's mir nicht so gut geht, gehe ich auf deinen Blog, schau mir die schönen Bilder an, lese die lustigen Zeilen und überlege mir, welches Gericht ich als nächstes nachkoche. Und dann geht's mir wieder besser. Danke :)

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  9. Haben gerade 'rotgeschmorten Schweinebauch nach Frau Ziii' gemacht und dazu Grünkohl. Der Schweinebauch war köstlich - das beste Rezept auch verglichen mit meiner nicht gerade kleinen chinesischen Kochbuch Bibliothek. Nur vorher blanchieren und anbraten fand ich noch eine interessante Idee? Der Grünkohl war, obwohl ich ihn liebe, noch nicht die Ideale Ergänzung. Beim chinesischen Essen sollen doch immer viele Gänge auf den Tisch - was passt zu diesem Schweinebauch am besten? Und ist Grühnkohl das einzige was Chinesen nicht kochen?

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  10. Zu Grünkohl bin ich s p i e l e r i s c h gekommen: http://www.extraprimagood.de/2012/01/27/gelandespiel-und-wintergemuse/

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