Hühnersuppe oder die Geschichte von der poetischen Eimochsubb



Die Oma ist eine Schwäbin, obwohl sie nicht aus Schwaben kommt. Sie zählt zur Spezies der Donauschwaben. Geboren im heutigen Serbien, aber in ihrem Leben nie ein Wort Serbisch sprechend, ist sie während des Krieges in Österreich gelandet, im Flüchtlingslager. Dort hat sie dann den Opa kennengelernt, seinerseits Rumänendeutscher, genau genommen Banater Schwabe. Dann ist der Papa dazu gekommen, dann der Onkel und das Haus und hintennach die Urle, ihrerseits Schwiegermutter der Oma und meine Urgroßmutter. Die Urle konnte zwei Worte Rumänisch. Dute dracu! rief sie immer, wenn sie mich sah, was heißt soviel wie "Scher dich zum Teufel!". Man muss wissen, ich war ein ausgesprochen sekkantes Urenkerl. Aber geschadet hat´s ihr nicht. Sie ist 100 Jahre alt geworden.

Früher wie die Oma noch gearbeitet hat, da hat die Urle immer gekocht. Und sie war eine gute Köchin, wenn ich auch nie verstanden hab, was genau sie kocht. Weil die Schwaben, die haben da so einen ganz strengen Dialekt.


Hier ist ein bisserl von dem, was ich als Kind aufgeschnappt habe:

Hinkel - Huhn

Grombiera - Kartoffeln

Gealarieba - Karotten

Schleckl - Marmelade

Zibeba - Rosinen

Deps - Backblech

Eimoch - Einmach

Strizi - Opa (klingt eher Wienerisch, aber so ruft die Oma den Opa immer)

Depsgrombiera und Hinkelsubb sind Erinnerungen an meine Kindheit, wovon ich vor allem Letztere geliebt habe. Wie die Urle dann nicht mehr da war, hat sie auf einmal Eimochsubb geheissen. Die Oma hat das immer so gesagt. Irgendwie hat die Subb auch ein bisserl anders geschmeckt, obwohl die Oma schwört, dass sie die immer genauso gekocht hat wie die Urle. Und der Papa, der jetzige Suppenkocher der Familie, sagt Hühnersuppe (mit zwei üü) und lässt die Einbrenn einfach weg. Christian Morgenstern würde sagen : "Die Subb indessen stand ganz dumm mit Hühnern ohne was herum..." Es wird  Zeit für einen Generationswechsel in der Dynastie der Suppenkocher, denn ich will meine Hinkelsubb mit Einmach haben.


Die Hinkelsubb

Es war einmal ein Topf voll Subb
mit Einmach drin und Hühnerkopp.

Ein schlauer Koch, der dieses sah,
stand eines Abends plötzlich da -

und nahm die Einmach einfach raus
und kochte sich was anderes draus.

Die Subb indessen stand ganz dumm
mit Hühnern ohne was herum.

Ein Anblick gräßlich und gemein.
Drum zog sie die Familie ein.

Der Koch jedoch entfloh
nach Afri-od-Ameriko.

(Frei nach Christian Morgenstern)


Der Papa ist eh noch da und das Huhn bekommt von mir ab sofort wieder eine Einmach drumherum.


  • 1 Biohuhn 
  • 6 Karotten
  • 2 Gelbe Rüben
  • 1/2 mittlerer Sellerie
  • 3 Petersilwurzeln
  • 1 Zwiebel mit 3 Nelken gespickt
  • ein paar Zweige Petersilie
  • ganze schwarze Pfefferkörner
  • 2 Lorbeerblätter
  • eine Prise geriebene Muskatnuss
  • 2 EL Butter
  • 2 EL Mehl
  • Reis

Das Huhn grob zerteilen, also zuerst vierteln und dann die einzelnen Teile noch mal zerlegen, aber mit den Knochen dran und nicht zu klein. Ich hab die Urle mal erwischt wie sie einem lebenden Huhn den Kopf abgehackt hat. Den hat sie dann mitsamt den Hühnerkrallen und (fast) allem was im Huhn drin war in der Suppe verkocht. Gott sei Dank war ich das Kind und hab immer die Bruststücke bekommen.

Das Gemüse putzen und grob in Stücke schneiden und alle Zutaten (außer dem Petergrün) gemeinsam in einen großen Topf geben, Salz nicht vergessen. Das kommt immer gleich in die Suppe. Nachwürzen schmeckt nicht. Mit Wasser auffüllen, sodass alle Zutaten gut bedeckt sind. Die Suppe einmal kurz aufkochen, Hitze reduzieren und einen Deckel aufsetzen, aber aufpassen, dass die Suppe nicht überkocht. Die Oma sagt immer, der Deckel ist wichtig, weil sonst hinkelts im ganzen Haus. Ich sag, Deckel aufsetzen, dann hinkelt die Suppe mehr. Das Abschöpfen des Schaums ist nicht notwendig, da die Suppe ohnehin eingemacht wird und dadurch eintrübt. 
Während die Suppe kocht den Reis zubereiten. Das kann eh jeder. Außerdem die Einmach kochen. Dazu Butter in einer kleinen Pfanne erhitzen und das Mehl einrühren. Eine Zeit lang feste rühren, aber aufpassen, dass die Einmach nicht bräunt.
Wenn das Gemüse weich ist und das Fleisch gar, den Topf vom Herd nehmen und das Petergrün und die Muskatnuss dazugeben. Einmach mit einem Schöpflöffel Suppe verrühren und dann alles in die Suppe rühren, einmal kurz aufkochen und den Reis dazugeben. Aber ACHTUNG - dieser Teil kann jetzt ordentlich in die Hose gehen. Ich empfehle den Reis erst unmittelbar vor dem Essen dazugeben. Der Reis saugt sich nämlich mit Suppe an bis kein Tropfen Suppe mehr da ist. Eventuelle Reste der Suppe ohne Reis aufbewahren, sonst haben Sie am nächsten Tag Reissterz im Kühlschrank. Das ist auch der Grund warum ich den Reis separat koche, während meine Urle den Reis direkt in der Suppe gekocht hat. Weil eh nie was über geblieben ist und immer alle pünktlich am Tisch saßen. 
Die Urle hat auch immer alles drin gelassen in ihrer Subb.  Petersilstengel, Lorbeer, Pfefferkörner, Knochen, Krallen, die Zwiebel mit den Nelken - einfach alles. Wenn ich mich beschwert habe, hat sie Sie wissen schon was gesagt. Aber man durfte wenigstens mit der Hand in der Suppe fischen und das Hühnerfleisch vom Knochen zuzzeln, während man mit der anderen Hand die Suppe schaufelte. Unter den Erwachsenen war immer ein Griss um die Leber. Und es hat Brot dazu gegeben - Halbweißes.
Fräulein Ziii hätte gerne vorher entsorgt, was sie eh nicht isst, darum schaut die Suppe auf meinem Foto so "sauber" aus. Und das Kind bekommt natürlich die Brust. Dute dracu!



Der Vollständigkeit halber hier das Original des Gedichts

Der Lattenzaun

Es war einmal ein Lattenzaun,
mit Zwischenraum, hindurchzuschaun.

Ein Architekt, der dieses sah,
stand eines Abends plötzlich da -

und nahm den Zwischenraum heraus
und baute draus ein großes Haus.

Der Zaun indessen stand ganz dumm,
mit Latten ohne was herum,

Ein Anblick gräßlich und gemein.
Drum zog ihn der Senat auch ein.

Der Architekt jedoch entfloh
nach Afri- od- Ameriko.

(Christian Morgenstern)

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1 comments:

  1. Ma, a Einmachsuppen hab i scho lang nimma gessen. :)
    A sehr humorvolles Blog. :) Da les i gerne mehr.
    LG
    Karina (aus OÖ)

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